Hans Huber an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Basel · 1. November 1916

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Mus.ep. H. Huber 44 (Busoni-Nachl. B II)
[1.11.] 1916
Am Tage Allerheiligen!
11

Lieber Freund! Den
intensivsten Dank für die
herrlichen Gaben, die Sie mit
gütiger Hand ausstreuen:
in erster Linie für die wahren &
trefflichen Worte zum Suter’schen
Regerartikel! – „Auf hohen Befehl“
muß ich am Conservatorium zwei
Regerabende (Kam̅ermusik, Klavier & Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2271
Gesang) in memoriam vorbereiten
& bin überrascht über die Formen⸗
armut und über den „Typus der
„Orgelimprovisation“
, so daß
das Kombiniren mehr heraussticht
wie das Komponiren!

Zweitens danke ich Ihnen für die[1]

1916
Am Tage Allerheiligen!
11

Lieber Freund!

Den intensivsten Dank für die herrlichen Gaben, die Sie mit gütiger Hand ausstreuen: in erster Linie für die wahren und trefflichen Worte zum Suter’schen Reger-Artikel! – „Auf hohen Befehl“ muss ich am Konservatorium zwei Reger-Abende (Kammermusik, Klavier und Gesang) in memoriam vorbereiten und bin überrascht über die Formenarmut und über den „Typus der Orgelimprovisation“, so dass das Kombinieren mehr heraussticht wie das Komponieren!

Zweitens danke ich Ihnen für die Zusendung der neuen Auflage Ihres Entwurfs einer neuen Ästhetik der Tonkunst! Leider liegt die erste Auflage mit den Operntexten bei meiner Tochter in Engelberg, so dass ich jetzt den Vergleich nicht genau machen kann. Allein mir scheint alles konziser und klarer in dieser Auflage! Jedenfalls passt das Büchlein in unsere Zeit und in die Requiemszeit über Reger! –

Ihre diesbezüglichen (Reger) Bemerkungen gab ich tale quale Suter, bin aber der Ansicht, dass wir dieselben nicht post festum publizieren sollen, da die gut gemeinte Expectoration Suters mehr als eine Reklame für die Musikgesellschaft Basels aufzufassen ist. – Dagegen wären Sie diejenige Persönlichkeit, die im weitesten Sinn und mit künstlerischer Berechtigung die Werte eines Regers in das wahre Licht setzen könnte. Tun Sie es doch – entweder in den Spalten der Neuen Zürcher Zeitung oder in denjenigen einer angesehenen Monatsschrift. Ich sage: „angesehen“ – und doch scheinen mir gegenwärtig alle deutschen literarisch-ästhetischen Erscheinungen auf ziemlich egaler Mittelmäßigkeit zu stehen, wenigstens so weit ich dieselben in Basel verfolgen kann! –

Vor mir liegt das Programm der Zürcher Klavierabende! Bravo! Jedenfalls komme ich am 20. November herüber. (Am 7. bin ich verhindert.) Über die Basler Projekte wird Ihnen Herr Dr. Stumm schreiben, sobald Herr His die Sitzung angeordnet hat, was anfangs nächster Woche der Fall sein wird! –

Addio mio carissimo

Ihr treu ergebener

Huber

                                                                
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Zusendung der neuen Auflage
Ihres Entwurfs einer n. Ae. d. T.!
Leider liegt die erste Auflage
mit den Operntexten bei meiner
Tochter
in Engelberg, so daß ich jetzt den
Vergleich nicht genau machen kan̅.
Allein mir scheint alles konziser &
klarer in dieser Auflage! Jedenfalls
paßt das Büchlein in unsere Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Zeit & in die Requiemszeit
über Reger! –

Ihre dießbezüglichen (Reger)
Bemerkungen gab ich tale quale
Suter, bin aber der Ansicht, daß
wir dieselben nicht post festum
publiziren sollen, da die gut
gemeinte Expectoration S.

                                                                
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wären Sie diejenige Persönlichkeit,
die im weitesten Sin̅ & mit
künstlerischer Berechtigung die
Werthe eines Reger’s in […] 1 Zeichen: durchgestrichen. das wahre
Licht setzen kön̅te. Thun Sie
es doch – entweder in den
Spalten der N. Zürcherztg. oder
in denjenigen einesr angesehenen
Monatsschrift. Ich sage –
„angesehen“ – & doch scheinen
mir gegenwärtig alle deutschen
litterarisch-aesthetischen Erscheinungen
auf ziemlich egaler Mittelmäßigkeit
zu stehen, wenigstens so weit ich
dieselben in Basel verfolgen
kan̅! –

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4Diplomatische Umschrift
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Vor mir liegt das Program̅
der Zürcher Klavierabende! Bravo!
Jedenfalls kom̅e ich am 20. Nov.
herüber. (Am 7. bin ich verhindert.)
Ueber die Basler Projekte
wird Ihnen Herr Dr. Stumm
schreiben, sobald Herr His
die Sitzung angeordnet hat,
was Anfangs nächster Woche
der Fall sein wird! –

Addio mio carissimo

Ihr treu ergebener

Huber

                                                                
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2271 | olim: Mus.ep. H. Huber 44 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 4 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Hans Huber, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift.
  • Hand des Archivars, der die Signaturen und Foliierung mit Bleistift eingetragen hat.
  • Hand des Archivars, der die Nummerierung innerhalb des Briefwechsels mit Rotstift eingetragen hat.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Zusammenfassung
Huber moniert anlässlich zweier ihm verordneter Reger-Gedenkabende dessen „Formenarmut“; schätzt die Neuausgabe des Entwurfs einer neuen Ästhetik der Tonkunst als „konziser und klarer“ ein; hat Busonis Reger-Text an Hermann Suter weitergegeben; rät zu einer künstlerischen Positionserklärung Busonis an anderem Ort; begrüßt das Programm der Zürcher Klavierabende, sagt Besuch beim zweiten Abend zu.
Incipit
Den intensivsten Dank für die herrlichen Gaben

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
unter Mitarbeit von
Stand
11. November 2017: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition