Ferruccio Busoni an Paul Bekker arrow_backarrow_forward

Berlin · ca. 7. Mai 1924

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Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Mus.ep. F. Busoni 34
(Busoni-Nachl. B I)

Mus.Nachl. F. Busoni B I, 70
7 Mai 1924

Verehrtester,

indem ich Ihre Bände durchblättere, erinnere
ich mich mit eiinniger Freude und herzlicher Dankbarkeit Ihres lieben
Geburtstagsbriefes
, für den mich erkenntlich zu zeigen mir auf der
Seele lag seit dem Augenblick, da ich ihn las.

Mein sich hinschleppendes Leiden Busoni war bereits 1922 gesundheitlich angeschlagen. Im Mai 1924 kam eine Sepsis hinzu, die durch ein unbehandeltes Nierenleiden verursacht wurde (vgl. Stuckenschmidt 1967, S. 51 f.). hat mich an
Manchem gehindert, das ich gern ausgerichtet hätte!

Nehmen Sie meine besten Gefühle entgegen!

Auch vom Krankenstuhl aus bestrebe ich mich
„anzuregen“; seit meiner Rückkehr Gemeint ist vermutlich die Rückkehr im November 1923 von Busoni sechswöchigem Aufenthalt in Paris, wohin er gemeinsam mit Gerda zu Erholungszwecken gereist war (vgl. Stuckenschmidt 1967, S. 52). spiele ich Mozart gegen Wagner
aus. In Busonis letztem veröffentlichten Aufsatz „Vom Wesen der Musik“ wird Mozart als „Halbgott“ bezeichnet, der dem eigentlichen „Wesen der Musik“ im Vergleich zu anderen Komponisten am nächsten gekommen sei. Die Ouvertüre zu Wagners Rienzi führt Busoni hingegen als Negativbeispiel an, um zu verdeutlichen, was vom eigentlichen „Wesen der Musik“ weit entfernt sei (vgl. Busoni 1924, S. 7 und 12). Hätte Nietzsche in dem „Fall Wagner sich darauf besonnen, In Der Fall Wagner setzt sich Nietzsche mit seinem einstigen Idol Wagner kritisch auseinander. Busoni kritisiert, Nietzsche hebe dabei Mozart nicht als Entgegenstellung zu Wagner hervor, sondern beziehe sich auf eine Aussage Wagners, die Mozarts Musikverständnis Frivolität zuschreibt (vgl. Sommer 2012, S. 101 f.).
so stünde Alles ein wenig anders, auch in der „neuen Musik.“

Achtungsvollste Grüsse

Ihr ergebener
Busoni

[Nicht im Bekker-Nachl. der Yale University]
7. Mai 1924

Verehrtester,

indem ich Ihre Bände durchblättere, erinnere ich mich mit inniger Freude und herzlicher Dankbarkeit Ihres lieben Geburtstagsbriefes, für den mich erkenntlich zu zeigen mir auf der Seele lag seit dem Augenblick, da ich ihn las.

Mein sich hinschleppendes Leiden Busoni war bereits 1922 gesundheitlich angeschlagen. Im Mai 1924 kam eine Sepsis hinzu, die durch ein unbehandeltes Nierenleiden verursacht wurde (vgl. Stuckenschmidt 1967, S. 51 f.). hat mich an manchem gehindert, das ich gern ausgerichtet hätte!

Nehmen Sie meine besten Gefühle entgegen!

Auch vom Krankenstuhl aus bestrebe ich mich „anzuregen“; seit meiner Rückkehr Gemeint ist vermutlich die Rückkehr im November 1923 von Busoni sechswöchigem Aufenthalt in Paris, wohin er gemeinsam mit Gerda zu Erholungszwecken gereist war (vgl. Stuckenschmidt 1967, S. 52). spiele ich Mozart gegen Wagner aus. In Busonis letztem veröffentlichten Aufsatz „Vom Wesen der Musik“ wird Mozart als „Halbgott“ bezeichnet, der dem eigentlichen „Wesen der Musik“ im Vergleich zu anderen Komponisten am nächsten gekommen sei. Die Ouvertüre zu Wagners Rienzi führt Busoni hingegen als Negativbeispiel an, um zu verdeutlichen, was vom eigentlichen „Wesen der Musik“ weit entfernt sei (vgl. Busoni 1924, S. 7 und 12). Hätte Nietzsche in dem „Fall Wagner sich darauf besonnen, In Der Fall Wagner setzt sich Nietzsche mit seinem einstigen Idol Wagner kritisch auseinander. Busoni kritisiert, Nietzsche hebe dabei Mozart nicht als Entgegenstellung zu Wagner hervor, sondern beziehe sich auf eine Aussage Wagners, die Mozarts Musikverständnis Frivolität zuschreibt (vgl. Sommer 2012, S. 101 f.). so stünde alles ein wenig anders, auch in der „neuen Musik.“

Achtungsvollste Grüße

Ihr ergebener Busoni

                                                                
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 70 | olim: Mus.ep. F. Busoni 34 (Busoni-Nachl. B I) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Die maschinelle Abschrift ist gut erhalten.
Umfang
1 Blatt, 1 beschriebene Seite
Hände/Stempel
  • Vmtl. Hand eines Archivars, der eine maschinelle Abschrift des Originals mit einer Schreibmaschine angefertigt hat.
  • Hand des Archivars, der die Signaturen mit Bleistift eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der eine Korrektur mit schwarzer Tinte in lateinischer Schrift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 12

Zusammenfassung
Busoni dankt für Bekkers Geburtstagsbrief; versucht sich trotz Krankheit gedanklich weiterhin mit musikästhetischen Fragen auseinanderzusetzen.
Incipit
indem ich Ihre Bände durchblättere, erinnere ich mich mit inniger Freude und herzlicher Dankbarkeit

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
25. März 2018: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition