Ferruccio Busoni an Robert Freund arrow_backarrow_forward

Zürich · 23. November 1898

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Mus. Nachl. F. Busoni B I, 532Mus. ep. F. Busoni 35 (Busoni-
Nachl. B I)
[1]

Sehr verehrter
Herr Professor.

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Die Unterweisungen im Clavierspiel
an Fräulein Etelka haben einen
vorläufigen Abschluss gefunden.
Ich erlaube mir das „vorläufig“
zu betonen, wodurch ich eine
Fortsetzung der Stunden Ihrer Schwester
bei mir weder vorschreiben,
noch andeuten will, dass ich als Lehrer
noch unenthbehrlich waere.

Aber ich will dadurch betonen,
wie wünschenswerth es mir
persönlich waere Ihre Schwester
noch unterrichten zu koennen und
Gelegenheit zu haben noch Einiges
aus meinen pianistischen Erfahrungen
zum Nutzen ihrer Entwicklung
mittheilen zu dürfen. –

Sehr verehrter Herr Professor.

Die Unterweisungen im Klavierspiel an Fräulein Etelka haben einen vorläufigen Abschluss gefunden. Ich erlaube mir das „vorläufig“ zu betonen, wodurch ich eine Fortsetzung der Stunden Ihrer Schwester bei mir weder vorschreiben, noch andeuten will, dass ich als Lehrer noch unentbehrlich wäre.

Aber ich will dadurch betonen, wie wünschenswert es mir persönlich wäre, Ihre Schwester noch unterrichten zu können und Gelegenheit zu haben, noch Einiges aus meinen pianistischen Erfahrungen zum Nutzen ihrer Entwicklung mitteilen zu dürfen. –

In der kurzen Zeit unseres Verkehres hat sich diese Entwicklung in schon überraschender Weise vollzogen; es scheint mir, dass diese sich weit über den Bereich der klavieristischen Technik erstreckt. Etelka dürften Sie – beim nächsten Wiedersehen – geistig und seelisch gereift finden, woran allerdings ich selbst weniger, als die Natur, das Alter, die neue Atmosphäre die Schuld tragen.

So glaube ich annehmen zu können, dass ich die junge Künstlerin erst mit dem Beginn eines zweiten „Kurses“ dahin angelangt finden werde, wo ein mehr kollegialischer Verkehr an Stelle des früheren steiferen und scholastischeren möglich wird: Wo der Austausch der Meinungen an Statt der einfachen Vorschrift des Vorgesetzten tritt: eine Art des Unterrichtes, welche wohl noch bessere Früchte zu tragen geeignet ist, zumal wenn die gegenseitige Bekanntschaft, somit das Vertrauen und – ich darf wohl auch sagen Sympathie, sich mehr befestigt haben, wie es glücklicherweise hier zwischen Lehrendem und Lernenden der Fall geworden.

Seien Sie also für das Zutrauen, dass Sie mir geschenkt haben, bedankt und zu den Fähigkeiten Ihrer Schwester herzlichst beglückwünscht.

Genehmigen Sie den Ausdruck aufrichtiger Hochachtung & Ergebenheit.

Ihr Ferruccio Busoni

Berlin, den 23. No. 98.
                                                                
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[2]

In der kurzen Zeit unseres
Verkehres hat sich diese Entwicklung in
schon überraschender Weise vollzogen;
es scheint mir dass diese sich weit
über den Bereich der clavieristischen
Technik erstreckt. Etelka dürften
Sie – beim nächsten Wiedersehen –
geistig und seelisch gereift finden,
woran allerdings ich selbst weniger,
als die Natur, das Alter, die neue
Atmosphaere die Schuld tragen.

So glaube ich annehmen zu
koennen, dass ich die junge Künstlerin
erst mit dem Beginn eines zweiten
„Kurses“ dahin angelangt finden
werde, wo ein mehr collegialischer
Verkehr an Stelle des früheren
steiferen und scholastischeren möglich
wird: Wo der Austausch der Meinungen
an Statt der einfachen Vorschrift des
Vorgesetzten tritt: eine Art des Unterrichtes

                                                                
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welche wohl noch bessere Früchte zu
tragen geeignet ist, zumal wenn
die gegenseitige Bekanntschaft,
somit das Vertrauen u. – ich darf
wohl auch sagen Sympathie, sich mehr
befestigt haben, wie es glücklicher Weise hier
zwischen Lehrendem u. Lernenden der Fall
geworden.

Seien Sie also für das Zutrauen
dass Sie mir geschenkt haben bedankt
u. zu den Fähigkeiten Ihrer Schwester
herzlichst beglückwünscht.

Genehmigen Sie den Ausdruck
aufrichtiger Hochachtung & Ergebenheit.

Ihr
Ferruccio Busoni

Berlin, den 23. No. 98.
                                                                
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Staatsbibliothek
Berlin
m.1441.1907
Nachlaß Busoni B I
                                                                
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Berlin W
24.11.984 5 V
50
Schweiz
Herrn Professor
Robert Freund
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
in
Zürich
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[Zü]rich 1
25. XI. 98IX -
Briefträger
Nachlaß Busoni B I
23. Nov. 1898
m. 3 Marken

Mus. ep. F. Busoni 35
Mus. Nachl. F. Busoni B I, 532-Beil.
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 532 | olim: Mus.ep. F. Busoni 35 (Busoni-Nachl. B I) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 3 beschriebene Seiten
Kollation
Seitenfolge: 1, 3, 2 (2 im Querformat)
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der die Signaturen mit Bleistift eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Busoni teilt Freund mit, dessen Schwester Etelka vorerst nicht weiter im Klavierspiel unterrichten zu können; lobt ihr Talent; erhofft eine Fortsetzung des Unterrichts.
Incipit
Die Unterweisungen im Klavierspiel an Fräulein Etelka haben einen vorläufigen Abschluss gefunden.

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
7. April 2008: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition