Robert Freund an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Kleinlaufenburg · 20. Mai 1910

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Mus.ep. R. Freund 29 (Busoni-Nachl. B II)
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1718
20/5 (1910)

Lieber Freund! Heute will
ich Ihnen nur kurz
für Ihre reichen Gaben
danken u. mein Entzücken
über die neue Fassung
der Berceuse ausprechen.
Nicht nur dass die Instru_
mentation von höchster
Schönheit u. unaussprechli_
chem Reiz ist, aber
auch die neue Variante

Lieber Freund!

Heute will ich Ihnen nur kurz für Ihre reichen Gaben danken und mein Entzücken über die neue Fassung der Berceuse ausprechen. Nicht nur, dass die Instrumentation von höchster Schönheit und unaussprechlichem Reiz ist, aber auch die neue Variante (also von Takt 20 an) ist noch viel schöner und inniger als die frühere Fassung. Jetzt erst tritt der Gedanke ganz in die Erscheinung. Ich will nicht ermangeln, Suter und andere auf dieses Kleinod aufmerksam zu machen. Ich wollte nur, wir hätten französische Holzbläser ersten Ranges!

Über Ihre Kunst der Fuge schreibe ich Ihnen erst, nachdem ich das Stück ganz erfasst, was bei mir längere Zeit erfordert. Dazu kommt, dass ich die nächsten zehn Tage in Zürich bin, auch der Tonkünstlerversammlung wegen, und dort jetzt nicht dazu komme, mich in ein solches Stück zu vertiefen.

Über die neue Notation habe ich nicht einmal eine Meinung. Vorläufig wäre es mir ganz unmöglich, ein neues Stück darin zu lesen, erkenne ich doch kaum meine alte chromatische Phantasie. Dem Aussehen nach erinnert es mich an die Lauten-Tabulatur, und um nur eine „Meinung“ (beileibe kein Urteil) zu haben, müsste ich doch wohl einige Monate daran wenden, und dazu habe ich wirklich keine Zeit. Bedenken Sie, dass ich 58 bin! –

Meine Frau ist verreist, sonst würde sie mit mir grüßen. Auch noch vielen Dank für das Programm aus New York. Es hat mich sehr gefreut, dass Mahler Ihre Turandot gemacht, und gewiss vorzüglich.

Ihr alter, treu ergebener

R. Freund

                                                                
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2Diplomatische Umschrift
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(also von Takt 20 an) ist noch viel
schöner u. in̅iger als die frühere Fassung.
Jetzt erst tritt der Gedanke ganz in
die Erscheinung. Ich will nicht
ermangeln Suter u. Andere auf
dieses Kleinod aufmerksam zu
machen. Ich wollte nur wir hätten
französische Holzbläser ersten Ranges!

                                                                
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Über Ihre Kunst der
Fuge
schreibe ich Ihnen
erst, nachdem ich das
Stück
ganz erfasst,
was bei mir längere
Zeit erfordert. Dazu
kom̅t dass ich die
nächsten 10 Tage in
Zürich bin, auch der
Tonkünstlerversam̅lung
wegen u. dort jetzt nicht
dazu kom̅e mich in ein solches
Stück zu vertiefen.

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
                                                                
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Deu[tsche]
Staatsb[ibliothek]
Be[rlin]

Über die neue Notation habe ich
nicht einmal eine Meinung. Vorläufig
wäre es mir ganz umnmöglich ein neues
Stück darin zu lesen, erken̅e ich doch
kaum meine alte chrom. Phantasie.
Dem Aussehen nach erin̅ert es mich
an die Lauten-Tabulatur u. um nunr
eine “Meinung” (beileibe kein Urtheil)

                                                                
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B II, 1718
zu haben, müsste ich
doch wohl einige Monate
daran wenden u. dazu
habe ich wirklich keine
Zeit. Bedenken Sie
dass ich 58 bin! _

Meine Frau ist verreist,
sonst würde Sie mit
mir grüssen. Auch
noch vielen Dank
für das Program̅ aus
New York. Es hat mich Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

                                                                
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sehr gefreut, dass
Mahler Ihre Turandot
gemacht u. gewiss vorzüg_
lich.

Ihr alter treu
ergebener

R. Freund

                                                                
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Singen–[…] 1 Wort: wenig Tinte.
Bahnpost
Zug 164[…] höchstens 1 Zeichen: wenig Tinte.
20[.5.10]
Herrn Ferruccio Busoni
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Berlin, W
Victoria Luisenplatz 11
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="stamp" place="top-right" resp="#post" xml:id="post_abs">
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Nachlaß Busoni B II
Mus.ep. R. Freund 29

Mus.Nachl. F. Busoni B II,
1718-Beil.
                                                                
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Dokument

doneStatus: zur Freigabe vorgeschlagen XML Faksimile Download / Zitation

Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1718 | olim: Mus.ep. R. Freund 29 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 1 Blatt, 6 beschriebene Seiten
Kollation
Seitenfolge des Bogens: 1, 4, 3, 2 (2, 4 im Querformat)
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Robert Freund, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der die Signaturen mit Bleistift eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 12345678

Zusammenfassung
Freund ist von der Neufassung der Berceuse élégiaque op. 42 begeistert; will sich in die Fantasia contrappuntistica in Ruhe vertiefen; meint sich angesichts seines Alters eines fundierten Urteils über Busonis Versuch einer organischen Klavier-Notenschrift enthalten zu müssen.
Incipit
Heute will ich Ihnen nur kurz für Ihre reichen Gaben danken

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
11. Januar 2019: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition