Ferruccio Busoni an Philipp Jarnach arrow_backarrow_forward

Berlin · 25. März 1924

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N.Mus.Nachl. 30,81
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L Ph J, habe – von Anfang
bis Ende – das Quartett
mit anhaltaendem

Interesse gelesen. Jarnachs Streichquartett op. 16 kam noch im Mai im selben Jahr bei Schott zum Erstdruck. Keine Note ist
absichtlos hingesetzt, und sie gilt.
Darin ist es ein vollkommenes
Kunstwerk. Wenngleich ich
nicht immer die “Absicht” erfasse. –
Ich freute mich zu sehen, dass
sSie zu zeiten eine Konzession
an die italienische Sprache machen.
Das, was damit erstrebt wird, ist
eine internationale Verstaendigung.
Als ich vor Jahren ein Stück von
Balakirew studierte (ça
valait la peine!
) Frz.: „das hat sich gelohnt“. stockte ich
bei denr russischen Terminologie.
So, dass ich sie mir übersetzen lassen
musste. – Die konsequente […] höchstens 2 Zeichen: unleserlich. Sprache
=liche Durchführung ist im Quartett
noch nicht feststehend:;
Seite 31. setzen sSie: Tempo,
Zeitmaass., Beaumont 1987 (377): ‚Zeitmass‘. Nach Beaumont 1987 (377): ‚nach‘. und nach verhallend,
poco a poco smorzando, Deutlich. Bei Beaumont 1987 (377) fehlt „Deutlich“.
(Man sagt doch pizzicato
und nicht gezupft; nicht wahr?) Bei Beaumont 1987 (377) fehlt dieser Klammersatz. Jarnach konsultierte Busoni in der Fahnenkorrektursphase zu seinem Streichquartett op. 16, bevor es zum Druck eingereicht wurde. Sowohl die zitierte Seitenangabe als auch Busonis Vorschläge entsprachen der Fundstelle im Druck und wurden komplett angenommen.

L Ph J,

habe – von Anfang bis Ende – das Quartett mit anhaltendem Interesse gelesen. Jarnachs Streichquartett op. 16 kam noch im Mai im selben Jahr bei Schott zum Erstdruck. Keine Note ist absichtlos hingesetzt, und sie gilt. Darin ist es ein vollkommenes Kunstwerk. Wenngleich ich nicht immer die „Absicht“ erfasse. – Ich freute mich zu sehen, dass Sie zuzeiten eine Konzession an die italienische Sprache machen. Das, was damit erstrebt wird, ist eine internationale Verständigung. Als ich vor Jahren ein Stück von Balakirew studierte („ça valait la peine!“), Frz.: „das hat sich gelohnt“. stockte ich bei der russischen Terminologie. So, dass ich sie mir übersetzen lassen musste. – Die konsequente sprachliche Durchführung ist im Quartett noch nicht feststehend; Seite 31 setzen Sie: „Tempo“, „Zeitmaß. Nach und nach verhallend“, „poco a poco smorzando“, „deutlich“. (Man sagt doch „pizzicato“ und nicht „gezupft“; nicht wahr?) Jarnach konsultierte Busoni in der Fahnenkorrektursphase zu seinem Streichquartett op. 16, bevor es zum Druck eingereicht wurde. Sowohl die zitierte Seitenangabe als auch Busonis Vorschläge entsprachen der Fundstelle im Druck und wurden komplett angenommen. Bei aller Ihrer berechtigten Verehrung für deutsche Musik zielen Sie doch nicht darauf hin, eine uneuropäische Kunst auf den Plan zu bringen? Und ich selbst empfinde das militärische Kommando („Dämpfer weg!“ „Fahrkarten bereit!“ „Rechts gehen!“) als nicht ästhetisch. Ich wollte dies einmal begründeter aussprechen, weil ich öfters darauf nicht ernst genug anspielte. Die miserabelste Erziehungswaffe ist die Ironie: Das musste ich, zu spät, bei meinem Benni einsehen.

Ich fürchte, ich werde dem Rondo arlecchinesco (von Breitkopfs, zur Kriegszeit, „Harlekins Reigen“ getauft!) nicht beiwohnen können! Aufführung am 28. März 1924 in der Sing-Akademie Berlin unter der Leitung von Stefan Strasser. Es liegt mir recht sehr daran, dass Stil und Geist des Stückes (das keine leitenden Vorbilder hat) richtig zur Darstellung kämen.

Könnten Sie nicht ein wenig darüber wachen? – Kann ich Sie vorher noch sehen?

Ich hatte drei Tage Liege- und Hungerkur und bin heute geschwächter als je!

Das Wetter scheint sich zu erbarmen; bleiben Sie nicht hinter ihm zurück.

Auf Wiedersehen, mit Gott, baldmöglichst (und öfter).

Ihr herzlich grüßender

Busoni

25. Mz. 1924.
                                                                
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2Diplomatische Umschrift
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N.Mus.Nachl. 30,81
2 Bei aller Ihrer berechtigten
Verehrung für deutsche Musik,
zielen sSie doch nicht darauf hin,
eine uneuropäische Kunst
auf den Plan zu bringen?
Und ich selbst empfinde das
militärische Kommando (Dämpfer
weg!
Bei Beaumont 1987 (377) ohne Ausrufezeichen. Fahrkarten bereit! Rechts
gehen!
) Bei Beaumont 1987 (377) fehlen die letzten beiden Ausrufe. als nicht aesthetisch.
Ich wollte dies einmal begründeter
aussprechen, weil ich öfters darauf
darüber nicht ernst genug anspielte.
Es ist Die miserabelste Erziehungs-
waffe ist die Ironie: das musste
ich, zu spät, bei meinem Benni
einsehen. ~

Ich fürchte, ich werde dem
Rondo arlecchinesco (von
Breitkopfs, zur Kriegszeit,
Harlekins Reigen getauft!)
nicht beiwohnen können! Aufführung am 28. März 1924 in der Sing-Akademie Berlin unter der Leitung von Stefan Strasser.
Es liegt mir recht sehr
daran, dass Styl u. Geist
des Stückes (das keine leitenden
Vorbilder hat) richtig zur Dar-
stellung kämen.

                                                                
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Könnten Sie nicht ein
wenig darüber wachen? –
Kann ich Sie vorher noch
sehen?

Ich hatte 3 Tage Liege=
u. Hunger Kur, und bin
heute geschwächter als je!

Das Wetter scheint sich
zu erbarmen; bleiben Sie nicht
hinter ihm zurück.

Auf Wiedersehen, mit
Gott, baldmöglichst. (und öfter.)

Ihr herzlich grüssender

Busoni

25. Mz. 1924.
                                                                
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doneStatus: zur Freigabe vorgeschlagen XML Faksimile Download / Zitation

Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,81 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Kollation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand Gerda Busonis, die auf der Rückseite mit Bleistift ein falsches Datum notiert hat
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Busoni hat Jarnachs Streichquartett durchgesehen; mahnt wider „eine uneuropäische Kunst“ die Internationalität von Vortragsbezeichnungen an; fühlt sich „geschwächter als je“.
Incipit
habe – von Anfang bis Ende

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
24. Januar 2022: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend
Benachbart in der Gesamtedition
Frühere Ausgaben
Beaumont 1987, S. 376 f.