Martin Wegelius an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Vikan · 23. Juni 1898

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Mus.ep. M. Wegelius 27 (Busoni-Nachl. B II)Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5340

Vikan den 23/6 98.

Lieber Freund Ferruccio!

Es ist sehr schwer, beinahe unmög⸗
lich eine Antwort auf deine Frage
zu geben. Ich muss berichten, wie
die Sachen jetzt stehn.

Der Ekman liess uns wissen, dass
er den Platz auf “Paar Jahre” gern
übernehmen würde – was uns recht
angenehm gewesen wäre. Wir woll⸗
ten dann den Petzet in guter
Art los werden, und sagten ihm
offen er wäre uns zu theuer
und wir könnten ihm nur 5000[1]

Vikan, den 23.06.1898.

Lieber Freund Ferruccio!

Es ist sehr schwer, beinahe unmöglich, eine Antwort auf deine Frage zu geben. Ich muss berichten, wie die Sachen jetzt stehn.

Der Ekman ließ uns wissen, dass er den Platz auf „paar Jahre“ gern übernehmen würde – was uns recht angenehm gewesen wäre. Wir wollten dann den Petzet in guter Art loswerden und sagten ihm offen, er wäre uns zu teuer und wir könnten ihm nur 5000 mf (16 St.) bezahlen (anstatt 6000 für 20 St.). Er blieb aber auch für den Preis. Also dies Jahr bleibt er noch, aber gewiss nicht länger. Nun fragt es sich, ob der Ekman dann noch da ist, und ob er den Platz dann nur ein Jahr behalten will oder – – ? So verwickelt ist die Geschichte. Da Du unsere Umstände und hiesige Ansichten kennst, wirst Du verstehen, dass wir den Ekman, der von dem Publikum sehr geschätzt ist, unserer eigner Schüler war und von der Regierung offenbar protegiert wurde, nicht laufen lassen dürfen, wenn er sich anbietet, auch wenn ein viel besserer Ausländer zu haben wäre. (Das einzige wäre ein Arrangement mit Dir, oder wenn ein guter Ausländer schon da wäre.) Die Geschichte mit Ekman ist ja aber nicht sicher. Seine Frau will jetzt Karriere machen und scheint Mitwind zu bekommen – vielleicht zieht sie ihn früher oder später mit, und dann werden ihm die Fesseln bei uns nicht lange behagen. ? ? ?

Du siehst, dass ich keine Antwort geben kann – ein „ja“ wäre ebenso unmoralisch wie ein „nein“ unverantwortlich. Der Saltzman ist auf seinen jährlichen Inspektionsreisen und wenigstens bis zum Ende dieses Monats weder mündlich noch brieflich anzutreffen. Also keine Antwort am besten. Der junge Mann soll in Gottes Namen tun, was ihm einfällt. Tut mir verdammt leid – diese Geschichte. In Juli wirst Du wahrscheinlich den Ekman in Berlin treffen. Fühle ihm dann ein bischen auf den Zahn – bitte schön!

Verzeihe mir diesen unordentlichen Brief – mein kleiner Postillon wartet, die Feder ist scheußlich und es regnet. Ich schreibe bald einen bessern. Sei tausendmal gegrüßt von meiner Hanna und

deinem getreuen

                                                                
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Preis. Also diess Jahr bleibt er noch,
aber gewiss nicht länger. Nun fragt
es si[…] 1 Zeichen: überschrieben. chch, ob der Ekman dann
noch da ist, und ob er den Platz
dann nur auf ein Jahr behalten
will oder – – ? So verwickelt
ist die Geschichte. Da Du unsere
Umstände und hiesige Ansich⸗
ten kennst, wirst Du verstehen,
wirst Du verstehen, dass wir
den Ekman, der von dem Publi⸗
kum sehr geschätzt ist, unserer
eigner Schüler war und von
der Regierung offenbar prote⸗
girt wurde, nicht laufen las⸗
sen dürfen, wenn er sich an⸗ Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

                                                                
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Ausländer zu haben wäre. (Das
einzige wäre ein Arrangement
mit Dir), oder wenn ein guter
Ausländer schon da wäre). Die
Geschichte mit Ekman ist ja a⸗
ber nich[t] sicher. Seine Frau will
jetzt Carriere machen und
scheint Mitwind zu bekommen
– vielleicht zieht sie ihn früher
oder später mit, und dann
werden ihm die Fesseln bei uns nicht
langer behagen. ? ? ?

Du siehst dass ich keine
Antwort geben kann – ein “ja”
wäre ebenso unmoralisch wie
ein “nein” unverantwortlich.
Der Saltzman ist auf seinen
jährlichen Inspektionsreisen Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[2]

                                                                
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4Diplomatische Umschrift
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und wenigstens bis zum Ende
dieses Monats weder mündlich
noch brieflich anzutreffen.
Also keine Antwort am Besten.
Der junge Mann soll in Gottes
Namen thun was ich ihm ein⸗
fällt. Thut mir verdammt
Leid – diese Geschichte. In Juli
wirst Du wahrscheinlich den
Ekman in Berlin treffen. Fühle
ihm dann ein bischen auf den
Zahn – bitte schön!

Verzeihe mir diesen undordentli⸗
chen Brief – mein kleiner Postillon
wartet, die Feder ist scheusslich
und es regnet. Ich schreibe bald
einen bessern. Sei tausendmal
gegrüsst von meiner Hanna
und deinem getreuen

                                                                
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Dokument

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5340 | olim: Mus.ep. M. Wegelius 27 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 4 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Martin Wegelius, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen ergänzt hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
16. Oktober 2023: in Bearbeitung (in der Erfassungs-/Codierungsphase)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition