Ferruccio Busoni an Martin Wegelius arrow_backarrow_forward

Berlin · 27. April 1898

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a)2 Offensichtlich ungewöhnliche schreibweise für die Ziffer „2“ (vgl. mit der Signatur im Brief vom 16. Mai 1896) 7 A 986/


Mein lieber und verehrter
Freund.
Erschrick nicht, aber
der Punkt, den du hier
siehst, ist das grab einer Papier-
-laus, die soeben über den Bogen
lief und michdurch meine[…] 1 Zeichen: überschrieben. n Federstiel
einen lausigen Heldentod
fand. Möge alles Lausige
so enden und verderben, das
Einem über den Weg läuft; u.
mögen sich genug Federstiele
dazu finden, was bei so vielen
styllosen Federn, als es giebt,
nicht leicht, ist kaum zu hoffen
ist!

6/

Mein lieber und verehrter Freund.

Erschrick nicht, aber der Punkt, den du hier siehst, ist das Grab einer Papierlaus, die soeben über den Bogen lief und durch meinen Federstiel einen lausigen Heldentod fand. Möge alles Lausige so enden und verderben, das einem über den Weg läuft; und mögen sich genug Federstiele dazu finden, was bei so vielen stillosen Federn, als es gibt, nicht leicht, kaum zu hoffen ist!

Dein schöner, herzlicher, poesievoller und behaglicher Weihnachtsbrief lag, Gott sei’s geklagt, monatelang unbeantwortet, aber immer oben an auf dem Päckchen meiner epistolarischen Schulden! Er verschaffte mir damals eine große und reine Freude und ich las ihn heute – „wie neu“ – mit gleichem Vergnügen. Habe Dank dafür, mein hochgeschätzter Direktor und wahrer Freund.

In deinem Briefe, der sonst mir eine fröhliche, ruhige Stimmung widerspiegelte, klagtest du über die Trauben, Tolstoi und Frl. Hartmann.

Möge der letzteren der Weizen blühen auf ihrem Grünfeld. Anspielung auf Alfred Grünfeld (siehe den vorigen Brief). Doch glaube ich noch viel eher an deine Trauben, als daran.

Aber sehr glücklich machen mich deine immer blühenden Ehefreuden, gegen die ein Tolstoi keine Macht hat; deshalb lass den Alten laufen, er hat auch sein Gutes.

Mit Genugtuung erfuhr ich von Nováčeks Engagement zum Musikinstitut, Siehe die Kommentierung im vorigen Brief. so mir recht berichtet wurde. Dieser Victor Nováček ist der Bruder meines intimen Freundes Ottokar und selbst ein sehr begabter und belesener Mann. Du wirst an ihm reine Freude haben. Für Herrn Petzet hätte ich verschiedene Ersatzmänner in Aussicht. Vor allem ein paar Schüler, wovon der Reifere, ein Herr Jensen Busoni hatte den Kopenhagener Pianisten Olaf Jensen wahrscheinlich 1896 nach seinem Debüt in Dänemark kennengelernt, woraufhin Jensen nach Berlin reiste und bis 1898 Schüler Busonis war (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822). Anschließend zog er nach Amerika, bevor er von 1900–1901 Lehrer am Musikinstitut in Helsinki wurde (vgl. Dahlström 1982, S. 327; Å. U. 1900). 1901 nahm Jensen an Busonis Meisterkurs in Weimar teil und zog anschließend zurück nach Kopenhagen, bevor er 1909 nach Amerika emigrierte (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822; zur Emigration siehe den Einbürgerungsantrag; zur Zeit dazwischen siehe den einzigen erhaltenen Brief von Jensen an Busoni, vom 26. Juni 1904, in der Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2414). aus Kopenhagen, viele vorzügliche Eigenschaften besitzt. Er ist ein intelligenter, denkender, sehr feinfühlender Mensch, hat großen pädagogischen Sinn und spielt selbst vortrefflich. Ist 29 Jahre und von angenehmem Äußeren und wünschte sehr, die Stellung in Helsingfors zu haben. Er wird seine Pflicht auf das Treueste erfüllen und dir ein anregender Kamerad und respektvoller Untergebener sein. Wie denkst du darüber?

Meine eigene Karriere hat sich leider und glücklicherweise so gestaltet, dass ich meine Rittergutsträume Allusion auf den Plan, erneut als Lehrer nach Helsinki zu gehen (vgl. die Briefe vom 7. Februar bis 5. März 1897). Teil des Plans war es, dass Busoni sich ein Haus in der Nähe von Wegelius’ Sommerhaus – welches Wegelius „sein Rittergut“ nannte – bauen würde. für den Augenblick aufgeben musste. Aber mein Bedürfnis nach Ruhe und Sammlung ist dadurch nur gestiegen und die Zukunft ist ungewiss, wie immer, aber nicht hoffnungslos.

Deinen Schüler Melartin möchte ich näher kennen. Ein und derselbe Lehrer passt nicht für alle und was dem Sibelius notwendig, kann vielleicht diesem überflüssig, gar schädlich sein. Ist er gewissenhaft, korrekt – dann kein Rhein- oder Herzogenberg'er – sondern zu Richard Strauss mit ihm, der vom Herbst an in Berlin sein wird! Im November 1898 verließ Richard Strauss München und kam als Hofkapellmeister an die Staatsoper Berlin (vgl. Werbeck 2006, Sp. 61–64).

Draeseke ist stocktaub, Goldmark sehr krank; Albert Becker – Hofmann; Heinrich Hofmann – Bäcker; Gernsheim trocken, Max Bruch unfreundlich; Jadassohn eine Null, (die selbst bei Juden keine Zinsen trägt); Reinecke ebenfalls vom alten Testament, wenn auch nicht Jude.

Was wurde aus dem Mielck? Der 1877 in Wyborg geborene Ernst Mielck wurde schon 1891 nach Berlin geschickt, wo er Klavier und Komposition am Stern’schen Konservatorium studierte. 1895 reiste er erneut nach Berlin, um Komposition bei Max Bruch zu studieren. Während dieser Zeit nahm er wahrscheinlich Klavierunterricht bei Busoni. Die Hoffnung, in dem schon im Jugendalter außerordentlich talentierten Komponisten einen Wegbereiter der finnischen Kunstmusik zu finden, zerschlug sich, als Mielck schon 1899 an Tuberkulose starb (vgl. Barnett 2007, S. 113 f.). Ich hörte Wunderdinge. Er war einst mein Schüler und ein kränklicher, unheimlich frühreifer Knabe.

Nun leb’ wohl. Grüße mir Frau Hanna auf’s wärmste; grüße freundlichst die Bekannten.

Gerda ist wohl, Benni wöhler. Sie grüßen Euch ebenfalls herzlichst.

Dein alter ergebener

Ferruccio Busoni

Berlin, 27. April Wegelius bezieht sich im Brief vom 23. Juni 1898 auf den Vorschlag von Jensen. Entsprechend ist dieser Brief sicher im April und nicht im August entstanden. 1898.
                                                                
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Dein schoener, herzlicher,
poesievoller und beghaglicher
Weihnachtsbrief, lag, Gott
sei’s geklagt, monatelang
unbeantwortet, aber immer
oben an auf dem Päckchen
meiner epistolarischen Schulden!
Er verschaffte mir damals
eine große u. reine Freude und
ich las ihn heute – „wie neu“
mit gleichem Vergnügen.
Habe Dank dafür, mein
hochgeschätzter Director u.
wahrer Freund.

In deinem Briefe, der sonst
mir eine fröhliche, ruhige
Stimmung wiederspiegelte,

                                                                
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Tolstoi und Frl. Hartmann.

Möge ldetr letzteren ihrder Weizen
blühen auf ihrem Grünfeld. Anspielung auf Alfred Grünfeld (siehe den vorigen Brief).
Doch glaube ich noch viel eh[r]er
an deine Trauben, als daran.

Aber sehr glücklich machte Transkription unsicher. Alternative Lesart:
te
n
mich deine […] 1 Zeichen: überschrieben. immer blühenden
Ehefreuden, gegen die ein
Tolstoj keine Macht hat;
deshalb lass den Alten
laufen, er hat auch sein Gutes.

Mit Genugthuung erfuhr
ich von Nováček’s Engagement
zum Musikinstitut, Siehe die Kommentierung im vorigen Brief. so mir
recht berichtet wurde. Dieser
Victor Nováček ist der Bruder
meines intimen Freundes
Ottokar und selbst ein ser
begabter u. belesener Mann.

                                                                
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Du wirst an ihm reine Freude
haben. Für Herrn P. hätte ich
verschiedene Ersatzmänner in
Aussicht. Vor allem ein G Transkription unsicher: . Paar
Schüler, wovon der Reifere,
ein Herr nJensen Busoni hatte den Kopenhagener Pianisten Olaf Jensen wahrscheinlich 1896 nach seinem Debüt in Dänemark kennengelernt, woraufhin Jensen nach Berlin reiste und bis 1898 Schüler Busonis war (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822). Anschließend zog er nach Amerika, bevor er von 1900–1901 Lehrer am Musikinstitut in Helsinki wurde (vgl. Dahlström 1982, S. 327; Å. U. 1900). 1901 nahm Jensen an Busonis Meisterkurs in Weimar teil und zog anschließend zurück nach Kopenhagen, bevor er 1909 nach Amerika emigrierte (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822; zur Emigration siehe den Einbürgerungsantrag; zur Zeit dazwischen siehe den einzigen erhaltenen Brief von Jensen an Busoni, vom 26. Juni 1904, in der Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2414). aus Kopen-
hagen
, viele vorzügliche
Eigenschaften besitzt. Er
ist ein intelligenter, denken-
der, sehr feinfühlender
Mensch, hat grossen pädago-
gischen Sinn und spielt
selbst vortrefflich. Ist 29
Jahre und von angenehmen
Aüsseren und wünschte
sehr die Stellung in H. zu haben.
Er wird seine Pflicht auf das
Treueste erfüllen u. dir ein
anregender Kamerad und
respectvoller Untergebener
sein. Wie denkst du darüber?

                                                                
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b)

Meine eigene Carrière
hat sich leider und
glücklicherweise so gestaltet,
dass ich meine Ritterguts-
-träume Allusion auf den Plan, erneut als Lehrer nach Helsinki zu gehen (vgl. die Briefe vom 7. Februar bis 5. März 1897). Teil des Plans war es, dass Busoni sich ein Haus in der Nähe von Wegelius’ Sommerhaus – welches Wegelius „sein Rittergut“ nannte – bauen würde. für den Augenblick
aufgeben musste. Aber
mein Bedürfniss nach Ruhe
u. Sammlung ist dadurch
durch nur gestiegen u. die
Zukunft ist ungewiss, wie
immer, aber nicht
hoffnungslos. –

Deinen Schüler Melartin
moechte ich näher kennen.
Ein u. derselbe Lehrer passt
nicht für Alle und was
dem Sibelius nothwendig,
kann vielleicht diesem
überflüssig, gar schädlich sein.

                                                                
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6Diplomatische Umschrift
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Ist er gewissenhaft,
correct – dann kein
Rhein= oder Herzogenberg'er –
sondern zu Richard Strauss
mit ihm, der vom Herbst
an in Berlin sein wird! Im November 1898 verließ Richard Strauss München und kam als Hofkapellmeister an die Staatsoper Berlin (vgl. Werbeck 2006, Sp. 61–64).

Draeseke ist stocktaub,
Goldmark sehr krank;
Albert Becker – Hofmann;
Heinrich Hofmann – Bäcker;
Gernsheim trocken,
Max Bruch unfreundlich;
Jadassohn eine Null, (die
selbst bei Juden keine
Zinsen trägt); Reinecke
ebenfalls vom alten
Testament, wenn auch
nicht al Transkription unsicher: durchgestrichen. Alternative Lesart:
b
[…] höchstens 1 Zeichen: durchgestrichen.
Jude.

                                                                
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Was wurde aus dem
Mielck? Der 1877 in Wyborg geborene Ernst Mielck wurde schon 1891 nach Berlin geschickt, wo er Klavier und Komposition am Stern’schen Konservatorium studierte. 1895 reiste er erneut nach Berlin, um Komposition bei Max Bruch zu studieren. Während dieser Zeit nahm er wahrscheinlich Klavierunterricht bei Busoni. Die Hoffnung, in dem schon im Jugendalter außerordentlich talentierten Komponisten einen Wegbereiter der finnischen Kunstmusik zu finden, zerschlug sich, als Mielck schon 1899 an Tuberkulose starb (vgl. Barnett 2007, S. 113 f.). , ich hörte
Wunderdinge. Er
war einst mein
Schüler u. ein kränklicher
unheimlich frühreifer
Knabe. –

Nun leb’ wohl. Grüsse
mir Frau Hanna auf’s
wärmste; grüsse freundlichst
die Bekannten. –

Gerda ist wohl, Benni
wöhler. Sie grüssen Euch
ebenfalls herzlichst.

Dein alter ergebener

Ferruccio Busoni

Berlin 27 A Wegelius bezieht sich im Brief vom 23. Juni 1898 auf den Vorschlag von Jensen. Entsprechend ist dieser Brief sicher im April und nicht im August entstanden. 98.
                                                                
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8Faksimile
8Diplomatische Umschrift
8XML
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Dokument

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Überlieferung
Finnland | Turku | Åbo Akademi University Library | Manuskriptsammlungen | Nachlass Otto Andersson, Band 58
Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
2 Bogen, 7 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Zählung des Korrespondenzstücks eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat

Zusammenfassung
Busoni gibt nach langer Briefpause Antwort auf Wegelius’ Weihnachtsbrief; zeigt sich erfreut über Victor Nováčeks Anstellung als Geigenlehrer; empfiehlt den Kopenhagener Olaf Jensen als Klavierlehrer; empfiehlt Richard Strauss als Lehrer für Erkki Melartin; erkundigt sich nach seinem ehemaligen Schüler Ernst Mielck.
Incipit
Erschrick nicht, aber der Punkt

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
19. März 2024: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend
Benachbart in der Gesamtedition