Heinrich Schenker an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Wien · 24. Oktober 1898

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Wien, 24. October 1898
Mus.ep. H. Schenker 11
(Busoni-Nachl. B II)
Mus.Nachl. F. Busoni
B II, 4423

Lieber, guter Freund!

Beiliegend erhalten Sie „Ihre“
Fantasie, Die an Busoni übermittelte Ausgabe der Fantasie op. 2 befindet sich heute im Nachlass Busonis (D-B, Mus.Nachl. F. Busoni I, 1). die ich neuerdings Ihremr
wohlwollenden Beurtheilung empfeh-
len möchte. Möge sie auch in diesem
Format Ihre Symptathie finden, wie
am ersten Tage, noch als Copistenproduct. Busoni hatte Schenker zwischen 1897 und 1898 bei der Konzeption der Fantasie op. 2 beraten (vgl. u. a. Brief von 1897) und bei der Vermittlung eines Verlegers geholfen (vgl. u. a. Brief vom 5. Mai 1898). Zum Dank widmete ihm Schenker das Werk (vgl. den Brief vom 6. Mai 1898).
Wie leid thut es mir, dass ich Ihre
Concerte
in Berlin nicht hören kann! Busoni spielte am 29. Oktober, 5., 12. und 19. November 1898 einen vierteiligen Konzertzyklus in der Berliner Singakademie. Im Rahmen dieser Abende gelangten jeweils drei bis vier Klavierkonzerte zur Aufführung, u. a. von Bach, Mozart und Liszt (Busoni / Vianna da Motta / Concert-Direction Hermann Wolff 1898). Die Konzerte stellten bei Publikum wie Presse einen gewaltigen Erfolg dar und waren für Busonis Stellung in Berlin äußerst förderlich (Busoni/Weindel 2015, S. 837 f.). Aber
Sie selbst haben es mir unmöglich
gemacht, denn sSie spielen nicht in
einer Woche, sondern in mehreren:
wie sollte ich, armer Teufel, die vielen
Wochen in Berlin aushalten? Bereits Schenkers Übersiedlung nach Wien 1884 war lediglich durch ein Stipendium möglich gewesen; nach dem Tod des Vaters 1887 musste Schenker trotz großer Armut für die mittlerweile ebenfalls nach Wien gezogene vierköpfige Familie aufkommen (Federhofer 1985, S. 4 ff.), was durch das Erteilen von Klavierunterricht gelang und wovon die Tätigkeit als Musikschriftsteller Entlastung bot (Brief von Schenker an Halm vom 25. September 1922). Ich
vertröste mich auf Wien, wo ich Sie
bald wiedersehe. Vermutlich beim Klavierabend Busonis am 6. Dezember 1898 im Wiener Bösendorfer-Saal. Auf dem Programm standen u. a. Werke von Brahms, Weber und Chopin (N. N. 1898e). Herzlichste
Grüsse an Sie u. Ihre hochgeschätzte
Frau Gemalin von Ihrem

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[1]
Wien, 24. Oktober 1898

Lieber, guter Freund!

Beiliegend erhalten Sie „Ihre“ Fantasie, Die an Busoni übermittelte Ausgabe der Fantasie op. 2 befindet sich heute im Nachlass Busonis (D-B, Mus.Nachl. F. Busoni I, 1). die ich neuerdings Ihrer wohlwollenden Beurteilung empfehlen möchte. Möge sie auch in diesem Format Ihre Sympathie finden, wie am ersten Tage, noch als Kopistenprodukt. Busoni hatte Schenker zwischen 1897 und 1898 bei der Konzeption der Fantasie op. 2 beraten (vgl. u. a. Brief von 1897) und bei der Vermittlung eines Verlegers geholfen (vgl. u. a. Brief vom 5. Mai 1898). Zum Dank widmete ihm Schenker das Werk (vgl. den Brief vom 6. Mai 1898). Wie leid tut es mir, dass ich Ihre Konzerte in Berlin nicht hören kann! Busoni spielte am 29. Oktober, 5., 12. und 19. November 1898 einen vierteiligen Konzertzyklus in der Berliner Singakademie. Im Rahmen dieser Abende gelangten jeweils drei bis vier Klavierkonzerte zur Aufführung, u. a. von Bach, Mozart und Liszt (Busoni / Vianna da Motta / Concert-Direction Hermann Wolff 1898). Die Konzerte stellten bei Publikum wie Presse einen gewaltigen Erfolg dar und waren für Busonis Stellung in Berlin äußerst förderlich (Busoni/Weindel 2015, S. 837 f.). Aber Sie selbst haben es mir unmöglich gemacht, denn Sie spielen nicht in einer Woche, sondern in mehreren: Wie sollte ich, armer Teufel, die vielen Wochen in Berlin aushalten? Bereits Schenkers Übersiedlung nach Wien 1884 war lediglich durch ein Stipendium möglich gewesen; nach dem Tod des Vaters 1887 musste Schenker trotz großer Armut für die mittlerweile ebenfalls nach Wien gezogene vierköpfige Familie aufkommen (Federhofer 1985, S. 4 ff.), was durch das Erteilen von Klavierunterricht gelang und wovon die Tätigkeit als Musikschriftsteller Entlastung bot (Brief von Schenker an Halm vom 25. September 1922). Ich vertröste mich auf Wien, wo ich Sie bald wiedersehe. Vermutlich beim Klavierabend Busonis am 6. Dezember 1898 im Wiener Bösendorfer-Saal. Auf dem Programm standen u. a. Werke von Brahms, Weber und Chopin (N. N. 1898e).

Herzlichste Grüße an Sie und Ihre hochgeschätzte Frau Gemahlin von Ihrem

                                                                
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4423 | olim: Mus.ep. H. Schenker 11 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 1 beschriebene Seite
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Heinrich Schenker, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Hans des Archivars, der die Foliierung mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die ursprüngliche Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die erneute Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat.
  • Unbekannte Hand, welche auf die letzte Seite des Dokuments den Absender notiert hat.
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Zusammenfassung
Schenker übersendet die gedruckte Fassung der „Fantasie“; drückt sein Bedauern aus, an baldigen Konzerten Busonis in Berlin nicht teilnehmen zu können; kündigt seine Teilnahme an einem bevorstehenden Konzert in Wien an.
Incipit
Beiliegend erhalten Sie „Ihre“ Fantasie, die ich neuerdings Ihrer

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler Theresa Menard Maximilian Furthmüller
bearbeitet von
Stand
29. Dezember 2018: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition
Frühere Ausgaben
Bent/Bretherton/Drabkin 2014, S. 24