Heinrich Schenker an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Wien · 2. Januar 1899

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Wien, 2. Jänner 1899
Mus.ep. H. Schenker 15
(Busoni-Nachl. B II)
Mus.Nachl. F. Busoni B II,
4427

Lieber, verehrter Freund!

Danke, danke. Am meisten wohl
für die Ueberraschung, von Ihnen
ein paar Schriftzüge, nämlich die
auf dem Couvert, zu erblicken. Die Bezugnahme auf einen vorherigen Brief Busonis ist nicht zuzuordnen; der erwähnte Brief ist offenbar nicht erhalten.
Da ich weiss, wie wenig Zeit sSie haben,
freut mich doppelt jeder Federzug,
den Sie mir schenken. Ich halte
Sie für so glücklich, dass ich mir
wohl jeden Glückwunsch ersparen
darf: ich möchte keinen Pleonas-
mus begehen, den ich sogar in
der Musik, der uncontrolirbarsten
aller Künste zu vermeiden suche.
Ich beneide Sie in Allem u. Jedem, Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[1]

Wien, 2. Jänner 1899

Lieber, verehrter Freund!

Danke, danke. Am meisten wohl für die Überraschung, von Ihnen ein paar Schriftzüge, nämlich die auf dem Kuvert, zu erblicken. Die Bezugnahme auf einen vorherigen Brief Busonis ist nicht zuzuordnen; der erwähnte Brief ist offenbar nicht erhalten. Da ich weiß, wie wenig Zeit Sie haben, freut mich doppelt jeder Federzug, den Sie mir schenken. Ich halte Sie für so glücklich, dass ich mir wohl jeden Glückwunsch ersparen darf: Ich möchte keinen Pleonasmus begehen, den ich sogar in der Musik, der unkontrollierbarsten aller Künste, zu vermeiden suche. Ich beneide Sie in allem und jedem und finde in allen Ihren inneren und äußeren Einrichtungen wirklich keinen leeren Raum, den ich erst mit meinen Wünschen – – möblieren müsste!

Es ist sehr leicht möglich, dass ich im Laufe des Winters noch nach Berlin komme, geschäftshalber: da werde ich Sie wohl auch mit meinem Besuch für paar Minuten verstimmen dürfen? Ob die Reise und ein Treffen tatsächlich zustande kamen, ist nicht bekannt; möglicherweise wurde das Vorhaben durch eine Erkrankung Schenkers verhindert (vgl. Brief vom Februar 1900).

Breitkopf & Härtel haben mich in Bezug auf Ihre Sachen leider auf unsere Sortimenter verwiesen: – Breitkopf & Härtel hatten am 13. Dezember 1898 eine Liste von Fachhändlern an Schenker gesandt, bei welchen Werke Busonis bezogen werden konnten. Offenbar hatte Schenker zuvor die Absicht geäußert, Werke Busonis zur Aufführung zu bringen, was der Verlag begrüßte (Brief von Breitkopf & Härtel an Schenker vom 13. Dezember 1898; US-RIVu, OJ 9/20). Möglicherweise verfolgte Schenker die Absicht, im Rahmen der bevorstehenden Tournee Werke Busonis in das Programm aufzunehmen. ein circulus vitiosus! Lat.: „fehlerhafter Kreis“; Redewendung im Sinne eines (fehlerhaften) Zirkelschlusses oder „Teufelskreises“. Indessen werde ich auf diesem Wege zum Ziel gelangen. Am 7. Jänner mache ich eine kleine Konzerttournee mit Messchaert aus Amsterdam Johannes Messchaert stammte eigentlich aus Hoorn, wirkte jedoch nach Unterbrechungen seit 1881 in den Niederlanden (u. a. in Amsterdam) als Chorleiter, Sänger sowie Pädagoge und unternahm ausgedehnte Tourneen (Seedorf 2004, Sp. 61 f.). und komme erst 3. Februar zurück. Die Konzerttournee, welche Schenker und Messchaert vom 8. Januar bis 3. Februar 1899 unternahmen, kann als Höhepunkt der Karriere Schenkers als Pianist bezeichnet werden. Messchaert zählte, besonders als Oratorien- und Liedsänger, zu den berühmtesten Künstlern der Zeit und wurde insbesondere von Schenker sehr geschätzt (Bent/Bretherton/Drabkin 2014, S. 44 f.). Im Rahmen der insgesamt elf Konzerte kamen mit Auszügen aus der Fantasie op. 2 sowie aus den Fünf Stücken für Klavier op. 4 auch Kompositionen Schenkers zur Aufführung (Federhofer 1985, S. 18 f.). Haben Sie genug meiner Mitteilungen? Coda: So wollen Sie noch, zum fröhlichsten „Beschluss“, Ihrer hochverehrten, „erfolgreichen“ Frau Gemahlin meine herzlichsten Grüße und Wünsche übermitteln.

Kadenz:!

Ihr Heinrich Schenker
Dominante Tonika
Unterdominante

                                                                
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u. finde in allen Ihren inneren u.
äusseren Einrichtungen wirklich
keinen leeren Raum, den ich erst
mit meinen Wünschen – – möbliren
müsste!

Es ist sehr leicht möglich, dass ich
im Laufe des Winters noch nach Ber-
lin
komme, geschäftshalber: da
werde ich Sie wohl auch mit meinem
Besuch für paar Minuten verstim̅en
dürfen? Ob die Reise und ein Treffen tatsächlich zustande kamen, ist nicht bekannt; möglicherweise wurde das Vorhaben durch eine Erkrankung Schenkers verhindert (vgl. Brief vom Februar 1900).

Breitkopf & Härtel haben mich
in Bezug auf Ihre Sachen leider auf
unsere Sortimenter verwiesen: – Breitkopf & Härtel hatten am 13. Dezember 1898 eine Liste von Fachhändlern an Schenker gesandt, bei welchen Werke Busonis bezogen werden konnten. Offenbar hatte Schenker zuvor die Absicht geäußert, Werke Busonis zur Aufführung zu bringen, was der Verlag begrüßte (Brief von Breitkopf & Härtel an Schenker vom 13. Dezember 1898; US-RIVu, OJ 9/20). Möglicherweise verfolgte Schenker die Absicht, im Rahmen der bevorstehenden Tournee Werke Busonis in das Programm aufzunehmen.
ein circulus vitiosus! Lat.: „fehlerhafter Kreis“; Redewendung im Sinne eines (fehlerhaften) Zirkelschlusses oder „Teufelskreises“. Indessen
werde ich auf diesem Wege zum
Ziel gelangen. Am 7ten Jänner mache

                                                                
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ich eine kleine Concerttournée
mit Messchäert aus Amsterdam Johannes Messchaert stammte eigentlich aus Hoorn, wirkte jedoch nach Unterbrechungen seit 1881 in den Niederlanden (u. a. in Amsterdam) als Chorleiter, Sänger sowie Pädagoge und unternahm ausgedehnte Tourneen (Seedorf 2004, Sp. 61 f.).
u. kom̅e erst 3 Febr. zurück. Die Konzerttournee, welche Schenker und Messchaert vom 8. Januar bis 3. Februar 1899 unternahmen, kann als Höhepunkt der Karriere Schenkers als Pianist bezeichnet werden. Messchaert zählte, besonders als Oratorien- und Liedsänger, zu den berühmtesten Künstlern der Zeit und wurde insbesondere von Schenker sehr geschätzt (Bent/Bretherton/Drabkin 2014, S. 44 f.). Im Rahmen der insgesamt elf Konzerte kamen mit Auszügen aus der Fantasie op. 2 sowie aus den Fünf Stücken für Klavier op. 4 auch Kompositionen Schenkers zur Aufführung (Federhofer 1985, S. 18 f.).
Haben Sie genug meiner
Mittheilungen? Coda:
So wollen Sie noch, zum fröhlichsten
„Beschluss“, Ihrer hochverehrten,
„erfolgreichen“ Frau Gemalin
meine herzlichsten Grüsse u. Wünsche
übermitteln.

Cadenz:!

Ihr Heinrich Schenker
Dominante Tonica
Unterdominante

[2]
                                                                
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Wien 1/1
d 1
2.1[.]99
11–12 [N]
Herrn
Ferruccio Busoni
Berlin, W.
Tauenzienstr. 1̇̇0
Wien 1/1
d 1
2.1[.]99
11–12 N
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6Diplomatische Umschrift
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vom
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1 4 99
[…] mindestens 3 Zeichen: wenig Tinte. V 12 ¼N
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4427-
Beil.
Mus.ep. H. Schenker 15
Nachlaß Busoni B II
2.1.99
(m. 1 Marke)
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Dokument

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4427 | olim: Mus.ep. H. Schenker 15 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten, der Umschlag infolge Aufriss leicht beschädigt.
Umfang
1 Bogen, 3 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Heinrich Schenker, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Hand des Archivars, der die Foliierung mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die ursprüngliche Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die erneute Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der eine Datierung mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Poststempel (schwarze Tinte)
  • Unbekannte Hand, die auf der Umschlagrückseite den Namen des Absenders notiert hat.
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Schenker berichtet von einer bevorstehenden Konzerttournee mit Johannes Messchaert sowie von Korrspondenz mit Breitkopf & Härtel, Werke Busonis betreffend; kündigt baldigen Besuch in Berlin an.
Incipit
Danke, danke. Am meisten wohl für die Überraschung

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler Theresa Menard Maximilian Furthmüller
bearbeitet von
Stand
29. Dezember 2018: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition